Die Insel, bei der die meisten Menschen an einen Traumurlaub denken, lässt gerade für ambitionierte Triathleten das Sportlerherz höher schlagen. Bereits seit 1982 meistern auf der Hauptinsel Hawaiis tausende Athleten die Strecke von 3,86 Kilometern Schwimmen, 180,2 Kilometern Radfahren und 42,195 Kilometern Laufen. Neben den Profisportlern müssen sich alle sogenannten Altersklassenathleten zunächst bei Veranstaltungen auf der ganzen Welt qualifizieren. Am 02. Juni diesen Jahres sicherte sich der Werner Wasserfreund Sebastian Nieberg das Ticket für die Weltmeisterschaft. Beim Ironman in Hamburg rief er eine herausragende Leistung ab und konnte sich somit in seiner Altersklasse für den Wettkampf im Oktober qualifizieren. Damit gehörte er zu 253 deutschen Triathleten, die 2024 bei der legendären Veranstaltung auf Hawaii teilnehmen durften.
Schon neun Tage vor dem wohl wichtigsten Rennen seines Lebens machte sich Nieberg auf den Weg auf die Pazifikinsel. Gemeinsam mit seiner Frau, weiteren Familienmitgliedern und seinem gut verpackten Triathlonrad flog er über San Francisco nach Big Island. Die frühzeitige Anreise war notwendig, um sich an die speziellen Gegebenheiten vor Ort zu gewöhnen. Gerade die hohe Luftfeuchtigkeit unterscheidet sich stark von den normalen Trainings- und Wettkampfbedingungen von Nieberg. Natürlich wollte er auch die besondere Atmosphäre unter den Teilnehmern und Tritathlonbegeisterten in den Tagen vor dem Rennen genießen. So fand beispielsweise vor dem eigentlichen Wettkampftag ein Testschwimmen im Ozean statt. Bei diesem schwamm Nieberg mit unzähligen Delfinen und konnte sich gut an die Voraussetzungen des Schwimmens im Meer gewöhnen. Außerdem wird einige Tage vor dem Renne traditionell der Underpants Run organisiert. Bei diesem begeben sich die Sportler in teils skurrilen Formen der Unterwäsche auf die Laufstrecke.
Doch diese Veranstaltung konnte Nieberg nicht in vollen Zügen genießen. Vier Tage vor dem Startschuss stürzte der Werner Athlet unglücklich. Bei einer Sightseeing-Tour mit einem Beachcruiser (hawaiianisches Fahrrad) brach er sich den Mittelhandknochen und zog sich Schürfwunden am ganzen Körper zu. Die Hand wurde eingegipst und eine Wunde am Kinn im Krankenhaus genäht. Nach dem Sturz stellte sich die Frage, ob Niebergs sportlicher Lebenstraum geplatzt und die ausdauernde körperliche und mentale Vorbereitung umsonst war. Doch durch einen Arzt vor Ort wurde die vorsichtige Hoffnung geweckt, dass sich der Werner Athlet am Renntag ins Meer stürzen kann. Nieberg konzentrierte sich in den verbleibenden Tagen darauf, beste Voraussetzungen für eine schnelle Genesung zu schaffen.
Am frühen Morgen des 26. Oktober fiel der Startschuss für die Ironman-Weltmeisterschaft. Um 07:10 Uhr begann für Nieberg das Rennen. Während er sich mit insgesamt ca. 2400 Triathleten in 27 Grad Celsius warmes Meereswasser begab, verfolgten ihn seine Vereinskollegen live im Online-Stream. Nach 1 Stunde 14 Minuten beendete er die Disziplin, bei der er durch die Handverletzung am meisten eingeschränkt wurde. Neben dem Wasserdruck, der beim Schwimmen auf die Hände trifft, hatte Nieberg auch mit dem Brennen des Salzwassers an den wunden Körperstellen zu kämpfen.
Bei Temperaturen um 30 Grad Celsius und stechender Sonne trat er den zweiten Teil des Ironmans an. Mit seinem Triathlonrad begab er sich auf die Strecke von der Stadt Kailua-Kona entlang der Küste. Nahe des nördlichsten Punktes der Insel befand sich der Wendepunkt der Radstrecke. Seine Verletzung machte sich leider auch hier bemerkbar. Da Nieberg das Rad nicht mit einer Hand halten und mit der anderen Hand Verpflegung annehmen konnte, hielt er an allen außer einer Verpflegungsstation an. Zurück in der Wechselzone standen 5 Stunden 28 Minuten auf dem Radtacho. Gerade mit den Umständen war der Werner Athlet mit dieser Zeit hoch zufrieden.
Nach dem Radfahren wusste Nieberg, dass er das Ziel erreichen wird. Während des Marathons, der fortlaufend von kleinen Anstiegen geprägt war, kühlte Nieberg sich mit Eiswürfeln herunter. Um nicht zu dehydrieren, führte er sich regelmäßig ausreichend Flüssigkeit zu und nahm Salztabletten ein. Seine Verletzungen beeinträchtigten ihn bei dieser Disziplin kaum.
Niebergs Ziel für den Tag war einzig und allein das Finishen. Er wollte den Tag genießen und sich vor dem Zielbogen von den Zuschauern für seine Leistung feiern lassen. Diesen Traum erfüllte sich Sebastian nach einer Gesamtzeit von 10 Stunden 26 Minuten. Noch bevor er den Zielbogen durchquerte, bedankte Nieberg sich bei seiner Frau und den weiteren Mitgereisten für ihre Unterstützung. Anschließend lief Sebastian einen kurzen letzten Anstieg, um gut sichtbar für alle Zuschauer die Ziellinie zu überqueren. In dem Moment, als der Werner seinen Namen auf der Finishertafel lesen konnte, überkamen ihn die Emotionen. Er schrie die Anspannung der letzten Wochen und Monate, die sich in der Vorbereitung auf diesen Moment angesammelt hatte, aus sich heraus.
Nach dem Wettkampf blieben Sebastian noch einige Tage, um mit der Regeneration seines Körpers zu beginnen und die Insel ohne Gedanken auf einen bevorstehenden Wettkampf zu genießen. Mittlerweile ist Nieberg wieder gut in seiner Heimat angekommen und kann seine Verletzung weiter behandeln und verheilen lassen.